Inflammation: Der unterschätzte Treiber kardiovaskulärer Erkrankungen
Entzündung gilt längst nicht mehr nur als Begleiterscheinung, sondern als bedeutender Baustein kardiovaskulärer Erkrankungen. Die jüngste Stellungnahme des American College of Cardiology (ACC) unterstreicht, dass chronische, niedriggradige Inflammation das Risiko für Arteriosklerose, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und Perikarditis maßgeblich erhöht – und damit ein zentrales Therapieziel der modernen Kardiologie ist.
Entzündung als Treiber kardiovaskulärer Erkrankungen
Die aktuelle wissenschaftliche Stellungnahme des ACC von 2025 verdeutlicht klar: Niedriggradige, aber chronische Entzündung ist nicht nur eine unangenehme Begleiterscheinung, sondern ein zentraler Faktor für die Entstehung und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen.Insbesondere im Zusammenhang mit Arteriosklerose, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und Perikarditis erhöht sie maßgeblich das Risiko für eine rapide Krankheitsprogression und akute Ereignisse.
Ein wichtiger Marker dabei ist das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP). Dieser kann über Jahre hinweg das individuelle Risiko empfindlich anzeigen – vergleichbar mit LDL-Cholesterin oder Blutdruck, teils sogar mit größerer Prognosekraft. Entzündung rückt damit auf die gleiche Ebene wie klassische Risikofaktoren.
Prävention neu gedacht
Besonders deutlich zeigt sich die Bedeutung von Entzündung in der Primärprävention. Schon bei Menschen ohne bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankungen weist ein erhöhtes hsCRP* auf ein deutlich gesteigertes Risiko für ein erstes Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall hin – selbst dann, wenn Cholesterin oder Blutdruck normal sind. Entzündung entlarvt also eine „versteckte Risikogruppe“, die sich mit klassischen Parametern nicht erfassen lässt. Das verändert die Sicht auf Prävention. Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen zudem: Entzündung bleibt selbst dann ein Risikofaktor, wenn klassische Parameter gut eingestellt sind. Ein Beispiel: Patienten, die unter Statintherapie sehr niedrige LDL-Werte erreichen, können weiterhin gefährdet sein, wenn ihr hsCRP hoch bleibt. Dieses residuale inflammatorische Risiko erklärt, warum trotz konsequenter Lipid- und Blutdruckkontrolle Ereignisse auftreten. Kardiologische Untersuchungen sollten sich entsprechend nicht auf Cholesterin und Blutdruck allein konzentrieren, sondern Entzündungsfaktoren als gleichwertiges Risiko im Auge behalten.
Herzgesundheit beginnt mit Prävention
Anpassungen des Lebensstils wie mediterrane Ernährung, regelmäßige Bewegung und ein gesundes Gewicht senken nicht nur Cholesterin und Blutdruck, sondern wirken auch direkt entzündungshemmend. Prävention erhält so eine zusätzliche Dimension: Sie greift in die entzündlichen Mechanismen ein, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen antreiben können.
Entzündung bei Herzinsuffizienz und Perikarditis
Auch jenseits der Arteriosklerose spielen Entzündungsmarker eine zentrale Rolle. Bei Herzinsuffizienz fördern chronisch aktivierte Immun- und Entzündungsmechanismen die schleichende Verschlechterung der Pumpfunktion. Marker wie hsCRP oder Interleukin-6** sind häufig erhöht und mit ungünstiger Prognose verbunden – Herzschwäche ist somit nicht nur hämodynamisch, sondern auch immunologisch beeinflusst.
Bei Perikarditis wiederum zeigen besonders wiederkehrende Verläufe die starke Prägung durch anhaltende Entzündungsprozesse. Neue Therapiestrategien setzen daher gezielt an deren Kontrolle an.
Gesunder Lebensstil als wirksame Methode zur Reduktion von Entzündungen
Trotz medikamentöser Optionen bleibt der Lebensstil die wirksamste und umfassendste Strategie, um Entzündung zu reduzieren. Studien belegen konsistent: Bewegung, ausgewogene Ernährung sowie ggf. Rauchstopp oder verminderter Alkoholkonsum verbessern nicht nur klassische Risiken, sondern senken auch systemische Entzündung messbar. Diese Effekte wirken sowohl präventiv als auch in der Sekundärprävention, wo sie mit niedrigeren hsCRP-Werten und besseren Prognosen einhergehen.
Ein Wendepunkt in der Kardiologie
Die Stellungnahme des ACC bringt es auf den Punkt: Entzündung ist ein klinisch relevanter, gut messbarer und behandelbarer Faktor – und damit ein Fundament moderner Prävention und Therapie. Für die Praxis bedeutet das: Risikobewertung sollte künftig neben Cholesterin und Blutdruck auch Entzündungsmarker umfassen. Gleichzeitig gewinnt die Lebensstilmedizin noch größere Bedeutung, da sie unmittelbar auf die entzündliche Komponente wirkt.
Für uns bedeutet das: Prävention und Behandlung basieren idealerweise nicht länger nur auf der Kontrolle von Fett- und Blutdruckwerten, Stress und anderen Risikofaktoren wie z.B. Rauchen, sondern ebenso auf der gezielten Modulation von Entzündungen im Körper. Jetzt gilt es, den Faktor Inflammation konsequent und systematisch in die Herzmedizin zu integrieren.
*hsCRP (high-sensitivity C-reaktives Protein) ist ein Blutwert, der sehr empfindlich Entzündungen im Körper misst und zur Einschätzung des Herz-Kreislauf-Risikos genutzt wird.
** Interleukin-6 (IL-6) ist ein Botenstoff des Immunsystems (Zytokin), der Entzündungsreaktionen reguliert und sowohl Abwehrprozesse aktiviert als auch an Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen beteiligt sein kann.